Es wächst, wie es wächst

Wieder eine neue Schotterwüste

Während ich diesen Artikel geschrieben habe, ist auf meinem Weg zum Garten eine weitere Schotterwüste bei einer Tankstelle entstanden. Mittlerweile kann ich die Schottergärten in meiner Umgebung kaum noch zählen. Entgegen den Erfordernissen unserer Zeit, geht der Trend weiter zu (vermeintlich) pflegeleichten, leblosen „Gärten“. Es wird Zeit für das Erstarken eines Gegen-Trends!!!

Auf meinem Balkon habe ich ein kleines Hochbeet, dass sich dieses Jahr fast komplett selbst bepflanzen durfte. Das ging natürlich nur, weil ich es die Jahre zuvor liebevoll gepflegt hatte. Sogar eine reiche Rettich-Ernte hat es mir schon beschert. Das war nicht so geplant. Aber der Vorschlag von den Pflanzen im Frühjahr gefiel mir so gut, dass ich dachte: Das ist ja spannend! Warum nicht?!

Gemüsebeet
Gemüsebeet Anfang Juni

Als ich  mit dem Gärtnern anfing bin ich sehr geplant vorgegangen. Ich dachte, dass es bei meinem kleinen Garten absolut notwendig sei, keine Fehler zu machen. Meine Anbauweise hat sich schrittweise verändert (siehe auch Life Hacks). Mittlerweile stehen die Bäumchen, Büsche, Sträucher und Stauden alle an ihrem Platz. Bei meinem Gemüsebeet weiß ich, welche Sorten reiche Ernte bringen und, was ich wirklich nicht wieder ausprobieren muss. Jetzt ist es an der Zeit, sich auch einmal zurückzulehnen und die ganze Dynamik, die man da in Gang gebracht hat, zu bestaunen.

Wieviel Unordung darf im Garten sein?

Beim Blick auf die Geschichte des Gartens zeigt sich, dass ein Garten immer mit einer Abgrenzung von der Umgebung anfängt. Im Mittelalter war es vor allem die Hecke, die die ordnenden Strukturen des Menschen von dem (scheinbaren) Chaos der Natur abgrenzte.

Unordnung ist eine Frage der Perspektive
Ordnung ist eine Frage der Perspektive

Desweiteren scheinen Gärten geschichtlich gesehen immer mit dem Aspekt des Nutzens für die Gesundheit und Ernährung anzufangen. Dann gewinnen Blumen und weitere ästhetische Aspekte an Bedeutung. Bis hin zu dem Verständnis des Gartens als Spiegelbild der Geisteshaltung seines Besitzers. Für den römischen Stoiker Seneca (ca. 1-65 n. Chr.) waren übermäßig geordnete Gartenanlagen ein Zeichen zunehmender Dekadenz.

Winter
Ordnung ist auch eine Frage der Jahreszeit

Gärten werden als umso schöner empfunden, je artenreicher und farbenfroher sie sind. Allerdings gibt es dabei auch ein „zuviel des Guten“: Wenn Gärten als gänzlich chaotisch wahrgenommen werden, bewerten nur sehr wenige Menschen sie als schön (weitere Infos zu Biodiversität und Ästethik).

Gärten könnten die Artenvielfalt, rein von der Fläche her gesehen, genauso gut retten wie Naturschutzgebiete. Es gibt in Deutschland ca. 17 Millionen Haus- und Kleingärten mit insgesamt 930.000 Hektar Grünfläche, was fast der Gesamtfläche aller Naturschutzgebiete zusammen entspricht.

Die Bereitschaft, einen Garten naturnah zu gestalten, hängt dabei immer mit dem Blick über den Gartenzaun zusammen. Je ordentlicher es bei dem Nachbarn ist, umso mehr fühlen sich Gartenbesitzer verpflichtet, ihren eigenen Garten möglichst ordentlich zu halten (Studie USA). Für mich bedeutet das, dass ich meinem Gartennachbarn eine Freude machen kann, wenn ich meinen Garten nicht ganz so ordentlich halte ;-)

Allerdings gibt es auch ordnende Strukturen, die dem Gärtner das Leben deutlich erleichern. Ein Rasen ließe sich bespielsweise nicht mähen, wenn er von Gemüse durchwuchert wäre. Wege sorgen dafür, dass man nicht auf wertvolle Pflanzen tritt. Wird in Reihe gesät, kann man die Jungpflanzen leichter von den Beikräutern unterscheiden und diese ggf. jäten.

Blackbox-Gardening

Kürzlich habe ich erfahren, dass man meine Art, mithilfe von ökologischer Dynamik zu Gärtnern, auch  ‚Blackbox-Gardening‚ genannt wird. Wichtig ist hierbei allerdings, dass man die Pflanzen auch nach dem Blühen stehenlässt. Außerdem muss man seine Pflanzen gut beobachten und so die Fähigkeit erlernen, schon bei ein bis zwei Blättchen im Frühjahr zu wissen, wen man da vor sich hat (hilfreiche Buchempfehlung dazu siehe unten).

Spannend finde ich diese Vorgehensweise auch im Hinblick auf die Permakultur. Hier fasst man bestimmte Pflanzen zu Gilden zusammen, die sich gegenseitig unterstützen. Ich habe mir immer gedacht: Es gibt doch unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten – wie findet man nur die Beste?! In meinem Garten hätte ich den wilden Majoran niemals unter den Pflaumenbaum gesetzt, aber das hat der Oregano selbst entschieden und er gedeiht prächtig. Was zusammen passt, scheint sich also auch von selbst zu finden – wenn man es lässt.

Und letzlich: Was sagt es über unsere geistige Haltung – über unser Selbst aus – wenn wir das Lebendige zulassen und wachsen lassen können? Wenn wir die Kontrolle zugunsten einer sanften Lenkung aufgeben? Wenn unsere Umgebung so sein darf, wie sie ist und genauso auch gut ist?

Einjährige und mehrjährige Blumen

Schlafmohn
Mohnpflanzen muss man im idealfall nur einmal aussäen, um sie immer im Garten zu haben

Die einjährigen Blumen muss ich fast nicht mehr aussäen oder anpflanzen. Das machen diese ganz von alleine. Nach ca. zwei Jahren, in denen ich sie ausgesät habe, suche sie sich im nächsten Jahr selbst ihren Platz im Beet oder daneben. Wichtig ist nur, dass ich sie früh genug identifiziere und dann vereinzele und falls nötig verziehe. Auch das tiefgründige Lockern des Bodens im Herbst stört dabei nicht (Umgraben hingegen schon).

Gute Erfahrungen habe ich dabei bisher bei folgenden Sorten gemacht:

  • Ringelblume
  • Borretsch
  • Mohnblumen (außer Türkischer Mohn Papaver orientale)
  • Löwenmäulchen
  • Vergissmeinnicht
  • Akalei
  • Honigkraut
  • Leinkraut (sehr zu empfehlen!)
  • Stockrosen
  • Krokusse
  • Maiglöckchen
  • Schneeglöckchen
  • Märzenbecher
  • Orchideen ;-)

Kräuter

Wilder Majoran Dost
Der wilde Majoran fühlt sich unter meinem Pflaumenbäumchen wohl

Auch einige Kräuter vermehren sich in meinem Garten ganz von allein. Durch den ungewöhnlich starken Frost in diesem Winter sind die großen Thymian-Stauden in unserem Garten erfroren. Glücklicherweise hatte sich der Thymian an ein paar geschützten Stellen ausgesamt und konnte dort überleben. Von diesen Stellen konnte ich nun wieder ein paar Ableger entnehmen.

Eine zeitlang habe ich versucht, die Minze in Töpfen in der Erde zu ziehen. Dort sah sie dann verpilzt und zerfressen aus. Ich musste einsehen, dass es einfach nicht der Natur der Minze entspricht, in Töpfen eingesperrt zu sein. Wahrscheinlich braucht sie ganz bestimmte Nähstoffe, die sie nur dann bekommt, wenn sie durch die Beete wandert. Also gut, die Minze wurde wieder freigelassen. Wenn sie überhand nimmt, gibt es halt Minz-Likör oder -Tee.

Kräuter für das Blackbox-Gardening:

  • Zitronenmelisse
  • alle Minz-Sorten
  • Thymian
  • Wilder Majoran
  • Schnittlauch
  • Pimpernelle

Beerenobst

Himbeeren
Diese Himbeeren sind durch Vögel in unseren Garten gekommen

Mehrmals habe ich versucht, Himbeeren in meinem Garten anzusiedeln. Das Ergebnis war immer frustrierend. Und plötzlich hatte ich trotzdem welche! Durch meinen Zaun in Richtung Bahngleise wuchsen mir ein paar prächtige Exemplare entgegen. Wenig später entdeckte ich in einer Ecke  ein paar Jungpflanzen. Da hatten die Vögel wohl einige Samen in meinen Garten geschleppt. Ich dachte mir: Was hier freiwillig wächst, wird ja wohl kaum verkümmern. Also grub ich die Jungpflanzen aus und setzte sie an eine Stelle, die mir besser passte. Dieses Jahr haben sie sich schon zu einem kleinen Strauch entwickelt und tragen die ersten Früchte.

Geeignetes Beerenobst für das Blackbox-Gardening:

  • Himbeeren
  • stachelige Brombeeren
  • Walderdbeeren

Gemüse

Sogar einige Gemüsesorten kommen von alleine wieder, wenn sie sich wohlgefühlt haben und ggf. aussamen durften.

  • Rettich
  • Asia-Salate
  • Feldsalat
  • Neuseeländerspinat (Winterspinat, bei mir nur auf dem wärmeren Balkon)
  • Baumspinat
  • Mangold (mehrjährig in wärmeren Lagen)

Wildpflanzen

Goldfelberich und Wildpflanzen
Friedliches Miteinander von Wildpflanzen und Gartenpflanzen

In meinem Garten gibt es viele Wildpflanzen, die ich frei gewähren lasse. Das mache allerdings nur in bestimmten Grenzen, weil wir sehr schlechte Erfahrungen diesbezüglich mit einem Kleingartenverein gemacht haben. Da ich aber auch für die Ernte einige Wildpflanzen, z. B. den Gundermann, sehr gerne nutze, bekommen auch Wildpflanzen in meinem Garten ihren Platz. Wildpflanzen, die sehr besitzergreifend seien können, wie der Giersch verbanne ich lieber aus meinem kleinen Garten. Da ich den Geschmack von jungem Giersch allerdings sehr liebe, bin ich dankbar, dass er auf dem Weg zu meinem Garten in Massen wächst.

Wildpflanzen für das Blackbox-Gardening:

  • Gänseblümchen
  • Löwenzahn, Brennesseln (nicht zum Nachbarn hin)
  • Ehrenpreis
  • Habichtskraut
  • Schöllkraut
  • wilde Stiefmütterchen
  • Gundermann
  • Günsel
  • Bärlauch
  • Klee
  • Nachtkerze

Was bei mir nicht wachsen darf

Jakobskreuzkraut
Das hochgiftige Jakobskreuzkraut darf in meinem Garten nicht wachsen

In meinem Garten entferne ich die meisten Giftpflanzen, allergieauslösende Pflanzen und Pflanzen, die in der Natur Schaden anrichten könnten. Giftpflanzen entferne ich größtenteils, um meine kleine Tochter nicht zu gefährden. Zum Beispiel würde ich den blauen Eisenhut, giftigste Pflanze Europas, nicht in meinem Garten lassen, auch wenn er eine gute Hummel-Pflanze ist. Auf der anderen Seite ist giftig natürlich immer relativ: Auch Kartoffelpflanzen und Tomatenpflanzen sind wie alle anderen Nachtschattengewächse giftig. In einem artenreichen Nutzgarten kann man kleine Kinder letztlich nicht unbeobachtet lassen.

Pflanzen, die in der Natur schaden anrichten würden, sind solche, die sich unkontrolliert verbreiten und alle anderen Pflanzen unterdrücken, wie die Herkulesstaude oder der Japanische Flügelknöterich.

Diese Pflanzen entferne ich auf jeden Fall aus meinem Garten:

  • Herkulesstaude (Riesen-Bärenklau)
  • Ambrosia
  • Johanniskreuzkraut / Johannisgreiskraut
  • Japanischer Flügelknöterich
  • Kanadische Goldrute

Schlussworte

Ich weiß noch, wie unsere Gartenvorbesitzerin erzählte, dass sie nicht wusste, ob sie den Kindern erlauben sollte, die Melonenkerne auf den Rasen zu spucken. Nachher keimen die und dann hat man die ganze Arbeit. Im Gegensatz dazu hole ich mir die Pflanzen, die auch unbeabsichtigt sprießen und wachsen absichtlich in meinen Garten.

Aber vielleicht denke ich auch anders darüber, wenn ich selbst einmal alt bin – wer weiß… Ehrlich gesagt: Ich glaube nicht daran, denn dann wird mein Garten voll mit pflegeleichten und zufriedenen Pflanzen sein  ;-)