Gerade im Winter vermisse ich die Düfte meines Gartens: Pfingstrosen, Rosen, Kräuter, Tannen und den erdigen Geruch von Moosen. Eine Möglichkeit, Gartendüfte langfristig nutzbar zu machen, ist die Herstellung von Hydrolaten. Auch als Heilungs- und Stärkungsmittel haben Hydrolate einiges zu bieten. Hydrolate oder Pflanzenwässer werden durch Destillation frischer oder getrockneter Pflanzen mit Wasser gewonnen. Dazu wird eine Destillationsapparatur benötigt. Diese kann aus Küchengeräten improvisiert werden (Anleitung). Üblicherweise bestehen Destillen aus Glas oder aus Kupfer.
Die Kupfer-Destille
Ich habe mich für die ‚Luxus‘-Version einer 2 L-Destille aus Kupfer entschieden (Bezugsquellen siehe unten). In Deutschland sind 2 L-Destillen für den Privatgebrauch erst seit Anfang diesen Jahres erlaubt, sodass sich für die Herstellung von Hydrolaten jetzt eine ‚historische Gelegenheit‘ bietet. Bei Kupferdestillen werden entstehende Schwefelverbindungen abgebaut, so dass der Duft reiner und schöner wirkt als beispielsweise bei einer Glasdestille. Im Vergleich zu einem improvisierten Apparat mit Küchengeräten ist die Ausbeute größer und das Hydrolat tendenziell länger haltbar, je nach Pflanze ca. ein Jahr.
Anwendungsbereiche
Die Anwendungsbereiche von Hydrolaten sind enorm, von selbstgemachter Kosmetik bis hin zu Naturheilmitteln und Würzmitteln für das Essen. Generell finde ich es sehr vorteilhaft, dass Hydrolate ohne Konservierungsmittel und Alkohol für den Eigenverbrauch lange genug haltbar sind. Ihre Wirkungsweise ist zu einem geringen Anteil die der entsprechenden ätherischen Öle (0,03 bis 0,5 Prozent in Lösung) und der konzentrierten Heiltees (vier- bis fünffach konzentriert) . Zusätzliche Wirkungen werden durch die Hydrolyse (sogenannte ‚Artefakte‘) hervorgerufen.
Hydrolate für Kinder
Für Kinder finde ich Hydrolate optimal. Ätherische Öle sind für kleine Kinder oft zu stark. Außerdem gibt es dabei das Risiko von Allergien. Bei Tees ist meine Tochter nicht sehr experimentierfreudig. Da ich meiner kleinen Tochter keine Präparate mit Alkohol gebe, fällt diese Möglichkeit auch weg. Die Hydrolate können teelöffelweise (meist verdünnt) getrunken werden oder aufgesprüht werden. Auch meine kleine Tochter verwendet gerne Parfums, was ich ihr bei den Hydrolaten jetzt bedenkenlos erlauben kann. Für Kinder gibt es dadurch ganz neue ‚Duftwelten‘ zu entdecken. Nach Angabe meiner kleinen Tochter hilft Nelken-Hydrolat sehr gut gegen Albträume.
Destillieren üben
Die Herstellung von Nelken-Hydrolat soll besonders einfach sein und diente mir deshalb als erste ‚Übungs-Destillation‘ für die Kupferdestille, bevor ich mich an meine wertvollen Gartenpflanzen wage. Es hat tatsächlich problemlos funktioniert, wie auch im Video unten zu sehen ist. Die Videos habe ich vor allem für diejenigen gedreht, die sich die Destillation vielleicht nicht zutrauen. Ein Video zur Einführung in das Thema gibt es hier. Weiterhin soll die Destillation des Lavendels und generell aller Lippenblütler sehr einfach verlaufen. Weitere Informationen und Bezugsquellen sind unter dem Beitrag zusammengefasst.
Die wunderbare Tradition der Selbstversorgung
Auch ohne die wunderbaren Hydrolate fühlt sich der Destillationsprozess an sich schon magisch an. Die Tradition des Destillierens reicht bis ins alte Ägypten (‚Urtopf‘, 2600 v. Chr.) zurück. Es gibt eine Reihe bekannter Alchemisten und Alchemistinnen, die viel über die Pflanzenwelt erfahren konnten, und deren Wissen teilweise erhalten geblieben ist (z. B. Brunschwigs ‚Schatz der Armen‘). Auch heute noch wird in den chemischen Laboren überwiegend destilliert, wie ich während meines Biochemie-Studiums selbst miterleben konnte.
Im Mittelalter war die Destillation ein alltägliches Mittel der Selbstversorgung und wurde in den Familien überliefert (‚Opus mulierum – Das Werk der Frauen‘). Durch Destillation ist immer wieder ein mächtiges Wissen für die Selbstversorgung entstanden. So mächtig, dass es immer wieder bekämpft wurde, z. B. im Zuge der Inquisition, und im Dunkeln der Zeit verschwand. Ich freue ich darauf, mit meinen Gartenpflanzen einen bescheidenen Beitrag zur lebendigen Tradition des Destillierens leisten zu können. Besonders freue ich mich auf den Frühlung, wenn ich, wie Kurfürstin Anna von Sachsen (1532-1585), mit der Destillation meiner Pfingstrosen beginnen kann.
Video
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