Freud und Leid im Kleingarten – Unsere Story Teil 3

Hier: Teil 1 und Teil 2

Teil 3: Der Biokleingarten – Neuanfang und Happy End

Nachdem unser erster Kleingarten erfolgreich verkauft war, plagten mich heftige Schuldgefühle: Ohne meine Gartenleidenschaft wäre das erste Lebensjahr meiner Tochter sicherlich unbeschwerter verlaufen. Aber wie heißt es so schön: Man muss unbedingt tun, was man auf keinen Fall unterlassen kann.

Im Landtag, wo ich als Referentin arbeitete, wurde währenddessen das Bundeskleingartengesetz diskutiert. Aber ich hatte keine Lust, mich an der Diskussion zu beteiligen. Es war ja nicht das Bundeskleingartengesetz, das uns dieses Desaster eingebracht hatte, sondern die ungeschriebenen Regeln und offenen Geheimnisse in einer Kleingartensiedlung. Und was die ganzen Regelverstöße anging, die wir beobachteten: Hecke schneiden zur Brutzeit, Salz streuen gegen Unkräuter, massenhaft Lebensbäume als Hecke – hätten wir diese ernsthaft anzeigen sollen und uns dann in einen Kleinkrieg mit den Gartennachbarn begeben sollen? Nicht das Gesetz oder die Regeln, sondern die Auslegung und die Einschränkungen durch den Verein waren das Problem gewesen (Unser Artikel zum Bundeskleingartengesetz). Aber ich redete mit einer lieben Kollegin über unsere Erfahrungen und dabei wurde mir klar, dass unsere Gartengeschichte noch nicht zu Ende ist: Die Idee, Kleingärten naturverträglicher und lebendiger zu gestalten, war richtig und gut. Und gute Ideen kann man nicht vertreiben – sie kommen immer wieder, an einem anderen Ort oder zu einer anderen Zeit.

Zunächst suchten wir nach Mitmach- und Gemeinschaftsgärten in unserer Nähe. Aber es gab keine und, um selbst so etwas zu gründen, fehlte uns neben Kind und Arbeit die Energie. Dann fand ich eine etwas ältere Anzeige zu einem Kleingarten in unserer Nähe im Internet. Das Beste daran war: Ein anderer Kleingartenverband mit anderem Verpächter. Wir waren uns einig, dass wir den Garten nehmen würden, soweit er nicht abbruchreif wäre.

Unsere kleine Gartensiedlung
Unsere kleine Gartensiedlung

Die kleine Gartensiedlung bestand aus sieben Gärten und war nicht öffentlich zugänglich. Auch hier waren die Gärten gepflegt, machten aber insgesamt einen zwangloseren Eindruck. Meine Fragen, ob man die Laube nur in bestimmten Farben streichen dürfe oder, was denn passiere, falls man mal ein paar Wochen krank würde, wurden nur belächelt: Ja, man hätte da Geschichten aus anderen Kleingartensiedlungen gehört. Wir erzählten unsere Geschichte nicht, denn sie ging uns damals noch zu nahe.

Da es keinen Strom (außer durch einen kleinen Generator) und keinen Wasseranschluss gab, suchten die beiden älteren Vorbesitzer schon lange nach Nachfolgern. Für uns war das allerdings nicht sonderlich wichtig.

Der Garten war aus Alters- und Krankheitsgründen abzugeben. 40 Jahre hatte die sechsköpfige Familie hier ihre Freizeit verbracht. Es gab Hühner, viele Feste und dann später auch viele Enkelkinder. Wir sahen Fotos, auf denen die Gärten auf einem riesigen Schutthaufen quasi aus dem Nichts entstanden. Sie waren dem Garten sehr dankbar für die schöne gemeinsame Zeit.

Von Anfang an spürten wir die tiefe Zuneigung der Gartenvorbesitzer zu unserer zweijährigen Tochter. Das beruhte auf Gegenseitigkeit und der alte Herr war von Anfang an einfach nur ‚Opa‘ für sie. Unsere Tochter bekam eine ganze Sammlung alter Spielzeugautos geschenkt – alles richtige Oldtimer.

Als es dann daran ging daran ging, über den Kaufpreis zu spreche, sagte der Vorbesitzer direkt, dass sie im Hinblick auf den Preis von der Announce runter gehen wollen. Wir hielten dagegen, dass wir diesen Preis als fair empfinden würden, immerhin hatte sie doch erst vor kurzem den teuren Stromgenerator angeschafft. Aber alles Diskutieren half nichts, wir bekamen den Garten günstiger. Dieses Verkaufsgespräch gehört zu einer meiner liebsten Kleingartenerinnerungen. Wir hatten uns überlegt, dass dieses alte kranke Ehepaar das Geld bestimmt noch brauchen könne und sie dachten im Gegenzug, dass wir als junge Familie das Geld bestimmt noch brauchen könnten. Wahrscheinlich hatten wir alle recht – aber so viel gegenseitige Anteilnahme, obwohl wir uns ja kaum kannten, war unglaublich schön.

Zuerst hatte der Garten nur wenig Bepflanzung
Zuerst hatte der Garten nur wenig Bepflanzung

Als wir den Garten dann hatten, war uns klar, dass wir dieses Mal nicht nur für uns gärtnern wollten. Wir wollten für alle gärtnern, die das Lebendige lieben und dafür auch Widerstände überwinden müssen. Deshalb erstellten wir diesen Blog und schrieben im ersten Artikel, wie es gelingen kann, den richtigen Kleingarten zu finden. Der Biokleingarten war geboren.

Unser Garten
Mittlerweile gibt es viel Bepflanzung – und die Aufforstung geht weiter

In unserem neuen Biokleingarten fingen wir sofort mit der ‚Aufforstung‘ an. Als erstes wurde der Apfelbaum gesetzt. Die Aufforstung ist bis heute nicht abgeschlossen: Gestern noch ist ein neuer Säulenapfelbaum angekommen – ein wenig Platz für ein kleines Bäumchen scheinen wir immer zu finden.

Außerdem fingen wir sofort an, die Freiheit in der Farbgestaltung zu genießen und strichen Türen und Fensterläden blau an. Endlich hatten wir unseren Traum-Garten!

Rotkehlchen
Unser Vogelfreund – das ewige Rotkehlchen

Später kamen uns die Gartenvorbesitzer besuchen und schauten sich ihren alten Garten an. Sie fragten, ob es denn das Rotkehlchen noch gebe, das sie früher immer besucht hatte. Wir bejahten das und innerlich musste ich grinsen: Unsere Vorbesitzer hatten den Garten 40 Jahre lang und immer gab es das Rotkehlchen – unseren Vogelfreund: Wie ein Phönix aus der Asche – das ewige Rotkehlchen.

Einmal kam der Imker unserer Gärten zu uns, um uns ein Glas seines Honigs zu schenken. Wir redeten über das Vögelfüttern und ich meinte scherzhaft: „Ich weiß gar nicht, ob ich eher die Vögel oder die Mäuse füttere.“ Und er sagte darauf lächelnd: „Alles was lebt ist gut.“ Das hat mich sehr beeindruckt, weil ich es ganz genauso empfinde. Es war ein wunderschöner geteilter Augenblick. Oft sahen wir den Imker neben seinen Bienenstöcken sitzen, denn für ihn ist, wie er sagte, das Summen der Bienen die schönste Musik.

Auch unser anderer älterer Gartennachbar schleppt sich im Winter bei jedem Wetter in den Garten, um die Vögel zu füttern. Und dass nicht nur in seinem Garten, sondern auch auf den Zuwegen. Wenn er es einmal nicht in den Garten geschafft hat, gibt er das sofort ganz traurig zu und meint: „Die Vögel hatten bestimmt Hunger!“.

Die Artenvielfalt in unserem Biokleingarten ist faszinierend. Fast jede Woche entdecke ich derzeit eine neue Vogelart. Die Insektenwelt ist so vielseitig, dass ich teilweise selbst nicht so genau weiß, wen ich da beobachte (siehe Taubenschwänzchen). Die Säugetiere (u.a. Eichhörnchen und  Mäuse) laufen uns in stillen Momenten fast über die Füße. Aufgrund der Spuren denken wir, dass uns zudem Mauswiesel, Marder und Füchse besuchen kommen. Auch einige wunderschöne Wildpflanzen, wie heimische Orchideen, finden bei uns ein Zuhause, weil wir Unbekanntes zum Teil einfach wachsen lassen.

Natürlich gibt es auch in unserer Siedlung manchmal Streit. Im letzten Jahr hat sich ein Gartennachbar fürchterlich aufgeregt, weil sein Garten vor 40 Jahren angeblich um 10 cm zu klein angelegt worden sei. Der Kreisvorstand musste mit den ganzen alten Vermessungsplänen vorbeikommen. Vielleicht tat es ihm später leid, denn er war das restliche Jahr ungewöhnlich freundlich und verschenkte jede Menge Gemüse.

Überhaupt wurden wir von Anfang an immer wieder von unseren Gartennachbarn mit Obst und Gemüse überhäuft: Äpfel, Kirschen, Zucchini, Kürbisse, Himbeeren und Johannisbeeren. Sogar Arbeitskollegen schenkten uns Obst und Gemüse aus ihrem Garten sobald sie erfuhren, dass wir einen Kleingarten hatten. Ich war dann immer etwas beschämt, weil ich noch nicht so viel zum Zurückschenken hatte, habe mich aber sehr gefreut.

Dass wir in unserem Garten biologisch gärtnern, wurde in dieser Kleingartensiedlung bisher noch nicht kommentiert. Da es einen Mangel an Engagierten gibt, wurde Haiko bereits gefragt, ob er nicht Vorsitzender für unseren Unterbezirk werden möchte. Bisher hat er immer nein gesagt, da wir mit unserem kleinen Kind einfach zu ausgelastet sind: Aber in Zukunft – wer weiß!? Und selbst wenn wir unseren Garten irgendwann wieder abgeben müssen, sind wir uns mittlerweile sicher, dass wir wieder ein neues Stück Erde für unseren Biogarten finden werden.

Obwohl wir auch schlechte Erfahrungen gemacht haben, lieben wir die Menschen, Tiere und Pflanzen im Kleingarten. Wir finden, dass Kleingärten unbedingt erhaltenswert sind und wünschen uns, dass alle Kleingärten ein Paradies werden – ein Stückchen Paradies für alle!

Buchempfehlungen für einen artenreichen Garten:

Unser Lieblingsbuch: „Der Biogarten: Das Original“

Sehr schön sind auch:
„Das große Ulmer Biogarten-Buch“
„Das große Biogarten-Buch“

Oder für Einsteiger:

„Der Biogarten für Einsteiger: Basiswissen und Praxis“
„Biogärten im Handumdrehen – 50 einfache Projekte für naturnahe Gärten“

Wer sich ein etwas „wilderes“ Gartenaussehen erlauben kann (ohne übermäßigen Stress mit Nachbarn und Gartenvorstand ;-)), kann es auch mit Permakultur versuchen:

„Prinzip Permakultur: Wie Einsteiger und Selbstversorger im Einklang mit der Natur erfolgreich gärtnern (GU Garten Extra)“
„Permakultur für alle. Harmonisch leben und einfach gärtnern im Einklang mit der Natur“
„Mein Selbstversorger-Garten am Stadtrand: Permakultur auf kleiner Fläche
Sepp Holzers Permakultur: Praktische Anwendung für Garten, Obst- und Landwirtschaft“

Für mehr Spaß im Garten sehr zu empfehlen:

„Gelassen gärtnern: 99 Gartenmythen und was von ihnen zu halten ist“

Viel Spaß beim Lesen!

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