Orchideen lassen sich nicht im Garten anpflanzen, so wie man es bei anderen Pflanzen gewohnt ist. Sie nehmen in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung im Pflanzenreich ein. Verschlechtert sich der ökologische Zustand des Gartens, sind sie stets die ersten, die verschwinden. Damit werden sie zu Zeigern für (nahezu) intakte Lebensverhältnisse im Garten.
Alle Orchideen stehen in Deutschland unter Schutz. Außerdem ist es strikt verboten, den Lebensraum einer geschützten Art zum Negativen hin zu verändern. Vielleicht können geschütze Arten auch Kleingärten in Zukunft als wichtiges Argument gegen Bebauungspläne dienen.
Fakten über Orchideen zum Staunen
- Der Keimling ist auf ein Pilzmyzel (Mykorrhiza) im Boden angewiesen. Ist zuviel Stickstoff vorhanden verdaut der Pilz den Keimling. Kunstdünger bedeutet für Orchideen ausnahmslos den Tod.
- Einige Orchideen, wie das Knabenkraut, sind Täuschblumen und haben keinen Nektar
- Orchideen besitzen keine ‚gewöhnlichen‘ Wurzeln, sondern fleischige Wurzelstöcke oder Knollen
- Einige Orchideenarten verzichten vollständig auf Blätter und ernähren sich von Bodenpilzen (Moderorchideen). Manche Arten lassen sogar niemals über der Erde blicken.
- Mindestens zwei Jahre vergehen von Aussaat bis zur blühenden Pflanze
- Orchideenbiotope gehen meistens auf den Einfluss des Menschen zurück
- Orchideen weisen durch monströsen Wuchs sowie gelbliche oder weiße Flecken auf Schwermetalle im Boden hin
- In Mitteleuropa gibt es ca. 120 Orchideenarten. Jährlich werden ca. 2-4 neue Arten entdeckt.
- Die Einordung einer Orchidee in eine Gattung ist manchmal unmöglich, da Orchideen stärker als alle anderen Pflanzenarten dazu neigen, neue Variationen auszubilden.
- Alle Orchideenarten in Deutschland sind gesetzlich geschützt. Ihr Bestand geht trotzdem rasant zurück.
Wie die Orchideen in unseren Garten kamen
Generell gibt es zwei Möglichkeiten, wie Orchideen in den Garten gelangen: Entweder sie werden angepflanzt oder sie kommen von allein. Beide Möglichkeiten haben ihre Tücken.
Ein Orchidee aus der Natur für den eigenen Garten zu entnehmen ist eine Straftat und kann die sensiblen Bestände vollständig vernichten. Orchideen leben in Symbiose mit Pilzgewebe im Boden. Diese Symbiose ist wiederum auf einen ganz bestimmten Nährstoffgehalt, Kalkgehalt, Bodenfeuchtigkeit etc. angewiesen. Wird eine Orchidee aus der Natur entnommen, ist es am wahrscheinlichsten, dass sie innerhalb kürzester Zeit eingeht.
Allerdings gibt es die Möglichkeit, wilde Orchideen mit Zertifikat käuflich zu erwerben. Hierbei wird eine Impfung für die Pilzkulturen im Boden mitgeliefert. Wenn man sowohl die Ansprüche der Orchideengattung als auch seinen eigenen Boden sehr gut kennt, ist dies erfolgsversprechend. Da man dann eine Zuhause für eine bedrohte heimische Pflanzenart geschaffen hat, ist dies ein bedeutendes Werk für den Natur- und Artenschutz.
Die andere Möglichkeit ist, das Orchideen von allein in den Garten kommen. Dazu muss es allerdings geeignete Stellen geben. Diese sollten möglichst mager, feucht und kalkhaltig sein. Der Boden sollte außerdem wenig bearbeitet sein. Eine weitere Hürde ist es dann, dass der Gärtner die Orchidee rechtzeitig erkennt und nicht als ‚Unkraut‘ jätet. Da Orchideen bei einer Neuansiedlung vielleicht im ersten Jahr noch nicht zur Blüte kommen und dann nur ein oder zwei unscheinbare Blättchen ausbilden, ist es sehr schwierig, sie rechtzeitig zu erkennen.
In unseren Garten sind die Orchideen wahrscheinlich auf beide Arten gekommen.
Orchideenliebe mit Vorgeschichte
Schon zu unserer Studien- bzw. Ausbildungszeit haben wir uns gerne mit Natur- und Umweltschutzthemen beschäftigt. Beispielsweise haben wir bei einigen Projekten vom BUND mitgeholfen. Unter anderem ging es dabei um die Pflege einer Orchideenwiese in Dortmund.
Unsere wilden Orchideen haben in der Natur mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Ein Problem ist, dass es immer weniger Feuchtwiesen gibt (was ja auch den Amphibien zu schaffen macht). Zusätzlich benötigen sie einen mageren Boden. Durch die Landwirtschaft gelangen immer mehr Nähstoffe in den Boden. Dies geschieht zum einen durch Wasser im Boden und zum anderen auch über die Luft. Auch Überdüngung ist dabei ein großes Problem.
Ein weiteres Problem der Orchideen in der Natur sind die ‚invasiven Neophyten‘. Das sind alle Pflanzen aus ursprünglich anderen Regionen der Erde, die hier zu wenig Fressfeinde haben und sich deshalb unkontrolliert ausbreiten. Die Orchideen werden dadurch regelrecht erstickt. Besonders problematisch sind hierbei die Kanadische Goldrute, die Herkulesstaude (Riesen-Bärenklau) und der Japanische Flügelknöterich (also aufessen!).
Unsere Aufgabe bei der Pflege der Orchideenwiese bestand hauptsächlich darin, Goldrute und Herkulesstaude aus der Wiese zu entfernen. Zusätzlich musste die Wiese im Herbst geschnitten werden und das Schnittgut abtransportiert werden. Durch die Entfernung des Schnittguts wurden auch gleichzeitig Nährstoffe entfernt und die Wiese mager gehalten.
Bei den Orchideen handelte es sich um das gepfleckte Knabenkraut (Dactylorhiza). Das wunderschön lila blüht und dessen Blätter an den dunkelbraunen Flecken glücklicherweise leicht zu erkennen ist.
Trotz unserer Bemühungen wurden die Orchideen mit der Zeit immer weniger. Sollten sie ganz verschwinden, könnte leider auch der Schutzstatus des Gebietes verschwinden. Das kleine Biotop rund um die Wiese blühte allerdings auf und jährlich konnten wir mehr Amphibien beobachten.
Wie wir die Orchideen entdeckt haben
Als wir das erste Mal unseren Garten besichtigten und eine Dactylorhiza in einer Ecke stehen sahen, verschlug es uns regelrecht den Atem. Ein Knabenkraut – in einem Garten- das geht doch gar nicht?! Genausogut hätte man uns einen Gartenpanda zeigen können…
Natürlich wurde ich sofort misstrauisch. Gerade deshalb habe ich nicht nachgefragt. Wenn hier eine Straftat vorlag, so war sie eindeutig verjährt. Die Pflanze war prächtiger als alles, was ich jemals auf unseren Naturschutzwiesen gesehen hatte. Mir wurde ein wenig mulmig, denn es wurde mir auf einmal bewusst, wie groß die Verantwort wiegt, wenn einem ein Stück Erde anvertraut wird…
Kurze Zeit später fand ich in einer kahlen Iris an der anderen Seite des Gartens ein winziges gepunktetes Blatt. Hier hatte das Knabenkraut anscheinend günstige Bedingungen gefunden, um sich zu verbreiten. Sofort schnitt ich die umliegenden Irisblätter zurück. Jetzt, zwei Jahre später, hat dieses kleine Knabenkraut das erste Mal geblüht.
Die andere Orchideenart in unserem Garten, Stendelwurz (Epipactis), hat sich wahrscheinlich von alleine in unserem Garten ausgebreitet. Hierbei handelt es sich um die häufigste Orchideenart in Deutschland, die mitunter auch Parks besiedelt. Zuerst dachte ich, dass die Orchideen einfach Maiglöckchen seien. Bis ich den wunderschön geschwungenen Griffel bemerkte und wenig später, die eindeutige Blütenform.
Mittlerweile wuchert die Stendelwurz sogar in unserem Gemüsebeet! Sie wächst zwischen den Salaten und dem Rotkohl hindurch. Und das alles obwohl ich mein Beet im Herbst tiefgründig lockere und organisch dünge. Außerdem hat eine Bodenprobe einen deutlichen Überschuss an Phosphat im Beet nachgewiesen… Diese Orchidee fühlt sich einfach trotzdem wohl in unserem Garten – an fast jeder Stelle.
Seitdem sehe ich sie an vielen Stellen in der Kleingartenanlage. Manchmal tatsächlich auch am Wegesrand, am Waldrand oder in anderem Gärten. Es gibt die Blüten in allen möglichen zarten Farbvarianten, von lila, rosa, grün bis gelb. Ich freue mich immer, wenn ich eine Stendelwurz sehe und meistens bleibt es mein Geheimnis. Denn zuviel Aufmerksamkeit tut den kleinen sensiblen Pflänzchen nicht gut.
Orchideen sind ein bedeutendes Zeichen
Wieso sind gerade Orchideen geschützt? Wo es doch so viele interessante Pflanzen gibt. Wieso ist es sinnvoll dafür ganze Gebiete unter Naturschutz zu stellen und die eigene Gartenpraxis grundlegend zu hinterfragen?
Besonders die bedrohten Orchideenarten zeigen an, wo sich nahezu intakte Lebensverhältnisse befinden. (Der Umkehrschluss bedeutet natürlich nicht, dass es nicht auch intakte Biotope ohne Orchideen gibt!) Wenn sich Orchideen wohl fühlen, ist auch der Boden lebendig und gesund. Dann ist die Umgebung vielfältig und es gibt offene Stellen, auf denen auch die kleinen und zarten Pflanzen ihren Platz finden. Das Nährstoffverhältnis ist ausgewogen. Man kann behaupten: Wo sich Orchideen wohlfühlen, fühlen sich auch viele andere wohl – Dies ist ein besonders schützenswerter Ort. Dies ist auch generell die Grundidee von ‚geschützten Arten‘.
Für einen Biogarten bedeutet das: Wenn sich bedrohte und geschützte Arten bei mir wohlfühlen, dann gärtnere ich im Einklang mit der Natur. Dann wird auch meine Ernte reich an Nährstoffen und gesund sein. Dann muss ich nicht befürchten, dass die ‚Schädlinge‘ in meinem Garten überhand nehmen.
Hoffnung für die Zukunft
Unser Garten liegt an der Spitze einer kleinen Gartensiedlung in ca. 10 Metern Höhe, bevor sich zwei Bahngleise treffen. Ringsherum ist der örtliche Bahnhof, ein Kleingewerbegebiet, ein Fußballplatz und ein paar Wohnhäuser. Tief in der Schlucht neben unserem Garten wurden wahrscheinlich schon Tonnen an Glyphosat aufgetragen.
Vor ca. 50 Jahren wurde dieser kleine Berg von der Bahn aufgeschüttet und befestigt. Dann wurde eine Schicht Lehm als Oberboden aufgetragen und die Fläche Bahnmitarbeitern als Kleingarten überlassen. Die Bodenqualität war so schlecht, dass in den ersten Jahrzehnten kein Apelbäumchen gedeihen wollte. Obwohl uns von den Vorbesitzern davon abgeraten wurde, haben wir es dennoch gewagt (Unser Apfelbaum)!
Und trotzdem, jahrzentelanges liebevolles Gärtnern haben auf diesem winzigen Stück Land (200 m² und fünf weitere Kleingärten) nahezu intakte Lebensverhältnisse geschaffen. Eine Erdschicht von einem halben Meter Durchmesser hat dafür ausgereicht! Was bedeutet das für unsere Natur?! Für mich bedeutet es, dass, egal wie trostlos die Situation auch aussieht, eine Heilung durch die Natur immer nur ein kleines Stück weit entfernt ist: 50 Jahre lang bemühen und einfach mal weniger falsch machen… Ich hoffe, dass in Zukunft noch mehr geschützte Arten in Gärten und Kleingärten ein Zuhause finden.
Mehr zu Orchideen
Wie man wilde Orchideen im Garten erkennt und wie man dafür sorgt, dass sie sich wohlfühlen, habe ich hier beschrieben. Einige heimische Orchideen sind mittlerweile auch käuflich erhältlich – am besten zusammen mit Bodenpilzen.
Heimische Orchideen aus Samen zu ziehen, stelle ich mir seeehr schwierig vor (siehe oben). Ich könnte mir eine Direktsaat auf feuchten, ungedüngten, kalkhaltigen und geschützten Ecken im Garten vorstellen – ‚vergessene Ecken‘. Die passenden Bodenpilze sind dann entweder schon vorhanden oder nicht – das ist der Glücksfaktor. Wenn es klappt ist es eine Meisterleistung für den Naturschutz! Für unter zwei Euro könnte man ja mal Naturschutz-Lotto spielen :-D
2 Antworten auf „Orchideen im Garten: Ein guter Grund für Optimismus“