Vielen Dank an alle Schädlinge in meinem Garten!

Schädlinge im Garten sind hier darüber definiert, dass sie im Garten Schaden anrichten: Sie fressen die Blätter von Gemüsepflanzen, Obst und Zierpflanzen. Dadurch kümmern die Pflanze dahin, bringen weniger Ertrag und ihr Aussehen verschlechtert sich. Oft wird auch die Ernte direkt weggefressen, bevor das Obst und Gemüse wirklich reif ist.

Die übliche Reaktion darauf ist oft, für jeden einzelnen Schädling eine Gegenmaßnahme zu ergreifen. Im schlimmsten Fall verwandelt sich dadurch eine angenehme Zeit im Garten in eine unangenehme Schädlingsbekämpfung. Der Garten wird zum Schlachtfeld um die Ernte. Garten ist Krieg, wie einige Hobbygärtner meinen. Aber möchte ich Krieg wirklich als Hobby haben?

Eine Kohlweißlingsraupe frisst an meinem Rettich
Eine Kohlweißlingsraupe frisst an meinem Rettich

Mit jedem Jahr das vergeht, verbringe ich weniger Zeit in meinem Garten mit Schädlingsabwehr. Mittlerweile bin ich schon so weit, zu den Schädlingen zu sagen: Vielen Dank, dass es euch gibt! Denn es gibt viele gute Gründe dafür.

Schädlinge zeigen mir schnell, welche Pflanzen ungeeignet sind

Als ich meine Säulenpflaume pflanzte, waren ihre zarten Triebe schon nach wenigen Wochen mit Blattläusen übersät. Ich dachte ernsthaft darüber nach, die Triebe mit einer Seifenlösung einzusprühen. Gut, dass ich es nicht gemacht habe! Denn wenig später erschienen Marienkäfer und verhinderten eine größere Ausbreitung der Blattläuse.

Pflaumenbaumblätter
Die Blätter unseres Pflaumenbäumchens sind ledrig und widerstandsfähig geworden

Trotzdem waren die Triebspitzen zerfressen und das ganze Bäumchen sah mitgenommen aus. Mir war bewusst, dass diese Säulenpflaume eine neue Züchtung war, die vielleicht nicht für meinen Biogarten geeignet ist. Dank der Schädlinge würde ich schon im nächsten Jahr deutlich erkennen, ob sich die Pflanze robust und gesund entwickelt. Oder ob sie auch in den kommenden Jahren dahinkümmern würde und sich jede Hoffnung auf reiche Ernte als Illusion erweisen würde.

Im nächsten Jahr bildete die Pflanze von Anfang an viel robustere und dickere Blätter aus. Die Blattläuse hatten kaum eine Chance. Damit war klar: Dieses Pflaumenbäumchen passt in meinen Biokleingarten!

Schädlinge helfen, dass sich Nützlinge und Vögel vermehren

Marienkäfer
Die Marienkäfer haben mittlerweile fast alle Blattläuse von der Heckenrose gefressen

Neben dem Pflaumenbäumchen erwies sich auch die Heckenrose (Apfelrose/Kartoffelrose) als wahre Brutstätte für Blattläuse. Nach kurzer Zeit im Frühjahr ist sie dann aber auch mit Marienkäfern und deren Larven übersät. Und so breiten sich die Marienkäfer in meinem ganzen Garten aus und überwinterten im Geräteschuppen.

Ich erinnerte mich an Familienurlaube in Dänemark als ich noch ein Kind war und es praktisch Marienkäferplagen gab. Vielleicht lag das an den quasi allgegenwärtigen Heckenrosen. Und damit auch an Massen von Blattläusen, die mir nie aufgefallen sind? Heckenrosen lösen im Biogarten also wahrscheinlich die Probleme mit Blattläusen!

Beim ökologischen Gleichgewicht stehen die Schädlinge meist ganz unten in der Nahrungskette, da sie die Pflanzen fressen. Dann kommen die Insektenfresser, wie z. B. die Vögel und dann weitere Raubtiere. Wer also die Schädlinge bekämpft, bekämpft gleichzeit auch die Nützlinge, Vögel und alle anderen Wildtiere.

Raupen werden zu Schmetterlingen

Schmetterlinge
Ich freue mich über jeden Schmetterling, der meinen Garten besucht

Ich liebe Schmetterlinge! Ich habe einige wunderschöne Kindheitserinnerungen daran, wie ich stundenlang den Schmetterlingsflieder im Garten beobachtet habe: Er war von einer Wolke von Schmetterlingen umgeben: Pfauenaugen, Zironenfalter, Admirale, C-Falter, Kohlweißlinge, kleiner und großer Fuchs. Wenn ich jetzt einen Schmetterlingsflieder betrachte, freue ich mich schon, wenn ich mal drei Schmetterlinge zur gleichen Zeit darauf sehe.

So simpel die Erkenntnis auch ist, so tiefgründig ist sie auch: Wer Schmetterlinge will, muss auch Raupen wollen! Beim Kohlweißling bedeutet das, dass ich ein paar Kohlrabis und Rettiche an die Raupen vom Kohlweißling verliere. Erfahrungsgemäß hält sich der Schaden in Grenzen, da die Raupen bei den Vögeln sehr beliebt sind.

Bei Pfauenaugen und anderen Schmetterlingen, muss man noch einmal einen Schritt weiter gehen: Man muss erst dulden, dass sich ‚Unkraut‘ im Garten ausbreitet, z. B. Brennesseln. Und dann muss man auch noch zulassen, dass dieses Unkraut wieder weggefressen wird. Das ist ganz schön viel verlangt, ich weiß ;-)

Viele Schädlinge sind hübsch und interessant

Ein Gemüsebeet ohne Netze ist so schön wie ein Ziergarten. Gerade durch eine Mischkultur mit Blumen oder auch durch „buntes Gemüse“ wie Rotkohl, rote Melden oder farbigen Mangold wird das Gemüsebeet zur Augenweide. Das Gemüsebeet ist viel zu schade, um es nur auf die Ernte zu reduzieren.

Lilienhähnchen
Das Lilienhähnchen ist hübsch und interessant zu beobachten

Viele Schädlinge sind zudem ungemein interessant zu beobachten: Raupen, die Blätter abfressen oder Käfer, die ihre Fühler säubern. Auch der alljährliche Hochzeitstag der Ameisen ist ein immenses Spektakel! Dadurch werden wiederum Vögel und andere Tiere angelockt. Dieses Naturschauspiel im Garten ist immer wieder überraschend und interessant zu beobachten. Obwohl sich auch die Pflanzen im Garten ständig verändern, wirken sie gegen die vielfältigen Gartentiere doch oft wie ein Stillleben.

Ich weiß noch, wie sauer ich war, dass meine Erdbeeren weggefressen wurden. Bis ich dann eine kleine Waldmaus mit einer im Vergleich riesigen Erdbeere durch meinen Garten hüpfen sah. Durch diese absolut niedliche Beobachtung wurde ich entschädigt.

Schädlinge als Erntehelfer

Ein Zuviel an Ernte kann ganz schön stressig werden. Unsere Gartenvorbesitzer erzählten uns, dass sie, als ihre Kinder groß waren, alle Beerenbüsche im Garten entfernt haben: Zuerst war es immer so mühsam die Vogelschutznetze anzubringen und wieder abzunehmen. Und dann mussten die vielen Kilogramm Johannisbeeren ja auch noch alle verarbeitet werden. Der Vorrat an Marmelade überstieg dann alles, was man so in einem Jahr verbrauchen konnte. Irgendwann wurde das wohl auch sehr eintönig. Wir mussten dann leider neue Beerenbüsche anpflanzen. Dabei bieten Vögel doch einen kostenfreien Ernteservice an!

Derzeit sind wir noch weit davon entfernt, über zu viel Obsternte zu klagen. Bei unserer Zucchinischwemme im Spätsommer wollte uns noch kein Gartentier ernsthaft helfen. Vor zuviel Rettich wurden wir dagegen erfolgreich gerettet ;-) Wer weiß, wie oft wir uns in Zukunft über tierische Erntehelfer freuen werden…

Es tut mir leid

Nacktschnecke
Es tut mir leid für euch, Nacktschnecken!

Manchmal sage ich auch: Es tut mir leid, liebe Schädlinge, aber wenn ihr alles auffresst, hat hinterher niemand mehr etwas davon. Beispiele hierfür sind Nacktschnecken im Frühjahr oder Vögel, wie z. B. Tauben, die alle Jungpflanzen zerpicken. Hier hilft dann unsere Schneckenstrategie oder eine zeitweise Abdeckung. Auch Schneckenzäune und Schutzringe sind absolut empfehlenswert (siehe unten)! Ganz ohne Schneckenabwehr bleibt nicht viel übrig (hier ein Selbstversuch dazu).

Hier muss man erkennen, dass es ein absolut unnatürliches Verhalten ist, wenn ein Tier in der Natur seine eigene Nahrungsgrundlage restlos vernichtet. Natürlicherweise reguliert die Räuber-Beute-Beziehung derartige Probleme. Ich weiß mittlerweile aus vielen Erfahrungsberichten, dass beispielsweise die Probleme mit Nacktschnecken weiter zunehmen, je artenärmer die Umgebung ist.

Ein Bekannter hatte sich ein kleines Einfamilienhaus in einer typischen Wohnsiedlung gekauft: Große Rasenflächen und Hecken dominieren dabei das Erscheinungsbild. Der Traum vom eigenen kleinen Gemüsebeet starb an dem Abend, an dem die Familie mit Freunden zum Spaß die Schnecken absammelte und zählte: 200 Nacktschnecken konnten innerhalb kurzer Zeit gesammelt werden und das waren längst nicht alle.

Der beste und ökologisch sinnvollste Weg, gegen Schneckenplagen vorzugehen, wäre es, deren Fressfeinde in den Garten zu locken. Aber Igel haben sich bisher noch nie in meinem Garten blicken lassen und für Laufenten ist mein Garten auf die Dauer zu klein.

Gerade ökologische Probleme sind manchmal zu groß, als dass man sie im eigenen kleinen Garten lösen könnte. Diese Erkenntnis ist traurig, kann die Hobbygärtner aber auch von vielen Schuldgefühlen befreien. Gegen manche Schädlinge, wie zum Beispiel Nacktschnecken muss man sich wehren, da sie Ausdruck eines gestörten Ökosystems sind.

Es tut mir leid, liebe Nacktschnecken, aber euch kann ich mit meinem kleinen Garten nur in bestimmten Grenzen helfen. Trotzdem, vielen Dank, dass ihr mich immer wieder an die wichtigen Probleme jenseits von unserem Garten erinnert.

Der Garten als Ort für Frieden und Glück

Garten ist Frieden
Garten ist Frieden

Kein Tier besucht unseren Garten, wenn es dort nicht auch Nahrung findet. Wir haben so ein Glück (im Vergleich zu unseren Gartentieren): Wir müssen uns nicht von unserer Ernte aus dem Hobbygarten ernähren. Wir können großzügig damit umgehen!

Statt Krieg gibt es Raum für Freigebigkeit. Genauso befriedigend wie das Vögelfüttern im Winter, kann das Füttern von Mäusen und Insekten (und damit auch wieder Vögeln) im Sommer sein.

Mittlerweile ist es sogar wissenschaftlich nachgewiesen, dass Insekten Schmerzen empfinden können. Wenn sie beispielweise Gliedmaßen verlieren, werden typische Substanzen in ihnen aktiv, die Schmerzen erträglich machen (hier nachzulesen). Mitgefühl und Hilfe für Insekten ist gerade in Zeiten des Insektensterbens somit angebracht.

Fazit

Das Ende des Insektensterbens fängt in unseren Köpfen an. Und ein Krieg im Garten schadet allen. Man bekommt seinen Garten am schnellsten und einfachsten schädlingsfrei, indem man einsieht, dass kein Tier wirklich ein Schädling ist! Vor gar nicht allzu langer Zeit (bis in 19. Jahrhundert) wurde sogar der Regenwurm als lästiger Schädling wahrgenommen.

Eine biologische Anbauweise bringt den Garten ins ökologische Gleichgewicht und ermöglicht spannende Entdeckungen und Naturerfahrungen. Echter Frieden im Garten ist dadurch möglich.

Ich entschuldige mich hiermit bei den Tieren in meinem Garten dafür, dass ich sie als ‚Schädlinge‘ bezeichnet habe. Ab jetzt werde ich sie einfach nur ‚Gartentiere‘ nennen!

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